Sonntag, 10. September 2017

Music Day Juli 2017 - Süsskind Audio Puls Deluxe MK II

Ein Beitrag von Rainer Götz

Déjà vu – alles schon mal da gewesen. Als ich die Einladung von Oliver Wittmann zum Music Day im Juli 2017 las, hatte ich in der Tat ein Déjà-vu-Erlebnis. Ein Breitbänder von Süsskind Audio war beim Music Day schon mal Thema – damals mit Elektronik von Symphonic Line – und die damalige Vorführung hatte schlagartig meine Vorurteile gegenüber Breitbändern beseitigt. Sie können meine Gedanken hierzu übrigens hier nachlesen.

Kaum zu glauben: Joachim Gerhard und sein Team haben den Breitbänder Puls in den letzten zwei Jahren deutlich weiterentwickelt. Wichtigste Veränderung: der Bändchen-Hochtöner ist jetzt auf der Rückseite der Box montiert, er war vor zwei Jahren noch als Zubehörteil in Form eines Add-on auf der Box montiert. Jetzt spielt er direkt unter der Bassreflexöffnung und kann mittels eines Drehreglers an die Raumverhältnisse angepasst werden. Außerdem gibt es eine Brückenkonstruktion, mit der er kom­plett aus dem Signalweg herausgenommen werden kann.

Die Puls Deluxe MK II selbst wirkt auf den ersten Blick wie aus der Zeit gefallen. Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre sahen so oder so ähnlich typische britische Monitorlautsprecher aus. Fast quadratische Holzkisten, die Schallwand mit einer Menge Schrauben sichtbar montiert und auf einem Ständer stehend, so dass die Schallquelle in Ohrhöhe stand. Nicht unbedingt der Traum von Ehefrauen und Freundinnen, denen der Sinn vielleicht eher nach kleinen, schuhschachtelgroßen Lautsprechern im eleganten italienischen Design steht.

Die Süsskind Puls MK II hat die Maße 34 x 59 x 34 cm und wiegt 18 kg. Ein in Zusammenarbeit mit dem Süsskind Mastermind Joachim Gerhard entwickelter Ständer, ein ausgetüfteltes System mit Anti-­Resonanz-­Pucks und einer metallenen Kugel, soll die Schwingungen ableiten und bringt die Puls Deluxe MK II auf Ohrhöhe. Andreas Günther spricht in Audio 3/2017 von einer Gesamtskulptur. Und in der Tat spielen Ständer und Box in idealer Weise zusammen, leider kostet der gemeinsam mit dem Absorber-Spezialisten bFly Audio entwickelte Ständer nochmals um die 2.000,- Euro Aufpreis. Die Puls Deluxe MK II steht dann mit 10.800,- Euro inkl. der Ständer in der aktuellen Preisliste. Tipp von mir: erst der Lebenspartnerin die Puls mit ihrer Lieblingsmusik spielen, danach erst den Preis nennen. Das vereinfacht die Verhandlungen erheblich.

Viel Geld, aber dafür ist die Süsskind Plus MK II auch absolut zukunftssicher. Joachim Gerhard, der dem Wittmannschen Music Day einen kurzen Besuch abstattete, baut den Lautsprecher so auf, dass ein Upgrade aller Bauteile zu jeder Zeit einfach möglich ist. Und wer Joachim Gerhard kennt, der weiß, die Entwicklung geht weiter. Herzstück der Plus ist der mit einem Alnico-Antrieb ausgestattete Breitbänder, der selbst nur eine bewegte Masse von 10 Gramm hat.

Die Membran ist aus Zellulose, also klassischem Papier mit speziellen Beimischungen, was eine für die Impulsverarbeitung sonst womöglich vielleicht schädliche Beschichtung obsolet macht. Selbst die Lautsprechersicke ist etwas besonderes: Diese ist am Rand gewellt, eine gewöhnliche Sicke wird deshalb nicht gebraucht – was wiederum Gewicht und Energie einspart. Die Zentrierspinne ist eine weitere Eigenentwicklung und kann äußerst linear und luftdurchlässig agieren. Um Interferenzen auszugrenzen, wird ein Phase Plug aus massivem Holz eingesetzt. Ein durch und durch ausentwickeltes Konzept, das die Erfahrung von Süsskind Audio (und Gerhards Erfahrungen bei Audio Physik und Sonics) widerspiegelt.

Idealer Spielpartner für die Plus Deluxe MK II ist der neu zur High End 2017 in München vorgestellte Röhren-Vollverstärker Octave V 16, die erste Single-Ended-Triode von Andreas Hofmann aus dem badischen Karlsbad. Mit einer Ausgangsleistung von 2 x 8 Watt an 4 Ohm ist der V 16 sogar für die Plus MK II etwas „überdimensioniert“. Rund ein Watt würden ausreichen, um den Lautsprecher zu „HiFi-gerechter“ Lautstärke (was immer man darunter verstehen mag) anzutreiben.

Die Single-Ended Triode wird serienmäßig von zwei KT 120 Röhren, wahlweise aber gerne auch Röhren der Typen EL 34, 6550, KT 88 oder KT 150, angetrieben. Alles leicht, in guter Qualität und aktueller Produktion in Russland oder Osteuropa zu beschaffende Röhren. Also keine Exoten, die ein halbes Vermögen kosten und dann vielleicht sogar nicht mal stabil laufen. Und schon gar keine „China-Kracher“! Drehen Sie beim V 16 einmal den Lautstärkeregler voll nach rechts. Sie hören: Nichts! Kein Brummen, kein Rauschen. Andreas Hofmann hat hier eine Eigenschaft aller seiner Röhrenverstärker auf den Trioden-Vollverstärker übertragen. Durch den Anschluss der Netzteilerweiterung Black Box oder gleich der Super Black Box kann das ganze übrigens nochmals gesteigert werden. Und der V 16 ist zusätzlich ein vollwertiger Kopfhörerverstärker der Topklasse.

Nun zur wichtigsten Frage: Wie klang das alles zusammen? Quellengeräte waren von Clearaudio, die Performance Laufwerk/Tonarmkombination mit Clearaudio Concept MC-Tonabnehmer und auf der digitalen Seite von T+A der „Überflieger“ MP 3100 HV. Ein ausgewachsener DA-Wandler für PCM und DSD mit integriertem CD/SACD-Spieler und Streamer.

Man spricht heutzutage ja überall von „Ganzheitlichkeit“. Hier hat dieses häufig nur als Floskel benutzte Wort seine Gültigkeit. Die Kombination aus Süsskind Plus Deluxe MK II und Octave Audio V 16 spielt tatsachlich „wie aus einem Guss“. Musik klingt völlig frei, offen. Es stimmt einfach alles. Da fehlt doch im Bass zumindest eine Oktave? "So what“, möchte man hier mit Miles Davis antworten. Hier spielt Musik, die den Zuhörer regelrecht „reinzieht“, involviert und alle Technik vergessen lässt. Da perlen die Saxophonläufe, sieht und spürt man den Kontrabass, man „sieht“ das akustische Piano in der richtigen Dimension im Raum stehen. Pianoexperten werden sofort raushören, ob ein Steinway oder Bösendorfer spielt – oder ein Fazioli.

Diese Vorführung gehörte für mich zu den zwei, drei Besten, die ich dieses Jahr gehört habe, und wenn man es so betrachtet, dann ist diese Kombination in jeder Hinsicht auch sein Geld mehr als wert. Schlecht für Oliver Wittmann: Das Thema neue Lautsprecher oder Verstärker ist damit für lange, lange Zeit beendet. So stabil wie diese Lautsprecher und Verstärker aufgebaut sind, sollte man sich rechtzeitig sogar Gedanken machen, wem man diese Preziosen einmal vererbt (sic).

Egal ob Aktuelles auf Vinyl aus dem Hause ECM, Freejazz mit der Pianistin Aki Takase und ihrem Ehemann Rudi Mahall auf seiner Bassklarinette, die zusammen dem großen W.C. Handy Tribut zollen. Legrand Jazz aus dem Jahr 1959 mit Stars wie Ben Webster, John Coltrane, Miles Davis, Donald Byrd, Phil Woods und Art Farmer, um neben dem Leader Michel Legrand nur einige der Namen zu nennen. Bandrauschen, kleine Aufnahmeverzerrungen beim Posaunisten Jimmy Cleveland: vergessen. Diese Allstars swingen und setzen Emotionen frei.

Dasselbe bei einer aktuellen HighRes-Aufnahme des Labels ECM mit dem Gitarristen Ferenc Snetberger, aufgenommen in den legendären Rainbow Studios von Jan Erik Kongshaug. Duos von Sheila Jordan und den Bassisten Cameron Brown, ebenso wie eine Duoaufnahme des Violinisten Vadim Gluzman mit Angela Yoffe am Piano. Alles macht so richtig Spaß und Freude, man kann gar nicht anders, als mit dem Fuß mitzuwippen. Sogar ein Marsch, der legendäre Liberty Bell March von John Philip Sousa, macht selbst einem überzeugten Gegner jeder Art von Marschmusik wie mir richtig Spaß. Nun ja, vielleicht liegt es auch daran, dass die Monty-Python-Leute gerade diesen Marsch als Kennmelodie verwendet haben...

Fazit: Wer in der Klasse bis 20.000.- Euro mit der Anschaffung zweier Lautsprecher und eines passenden Verstärkers liebäugelt, sollte sich die Süsskind Puls Deluxe MK II in Verbindung mit dem Octave Audio V 16 unbedingt anhören. Dies ist eine Kombination, die unsere anglophonen Freunde als „marriage made in heaven“ umschreiben. Beiden Geräten merkt man an, dass deren Entwickler ihr Produkt „leben“ und wirkliche Musikliebhaber sind.

Packen Sie ein paar Platten und CDs zusammen und vereinbaren Sie mit Oliver Wittmann oder Markus Nolden einen Termin und hören Sie selbst, was ich hier nur unzureichend mit Worten beschreiben kann. Sie verstehen dann auch, weshalb Oliver Wittmann den Röhrenguru Andreas Hofmann so besonders schätzt und warum er Joachim Gerhard und dessen Produkten schon seit dessen Anfängen bei Audio Physik die Treue hält. „Überzeugungstäter“ unter sich...

Weitere Informationen finden Sie hier:

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