Mittwoch, 7. März 2018

Music Day Februar 2018 - Zurück in die Zukunft mit Tannoy

Ein Beitrag von Rainer Götz

Es war in der Tat überraschend, als der britische Lautsprecherhersteller Tannoy in Mai 2017 bei der HiFiDeluxe eine Neuauflage seiner HDP-Monitore aus dem Jahr 1975 ankündigte. Die Vorführung in München war nicht nur für mich eines der Messehighlights, sondern offensichtlich auch für Oliver Wittmann, denn seit Ende des vergangenen Jahres ist er Tannoy Legacy-Stützpunkthändler. Beim Music Day im Februar stellte er den größten Lautsprecher aus dieser Serie, die Arden, Kunden und Interessenten vor.

Der bewährte, hochmusikalische und absolut betriebssichere Röhrenvollverstärker V 110 SE von Octave Audio sorgte dabei für mehr als ausreichende Leistung. 2 x 110 Watt liefern seine KT 120-Röhren – für die Arden mehr als genug.

Als digitale Quelle diente der T+A Multiplayer MP 2500 R, einer der wenigen Player, der ein eigenentwickeltes SACD-Laufwerk der Sonderklasse enthält. Analog diente der Linn LP 12 Akurate Level mit dem neuen Lingo IV Netzteil als Laufwerk. Als Phonovorstufe kam die Tom Evans „The Groove Anniversary MK 2“, die Oliver Wittmann ja exklusiv in Deutschland, Österreich und der Schweiz importiert, zum Einsatz.

Die Cinch- und Lautsprecherkabel waren, wie fast immer, von Swiss Cable und zwar jeweils das Top-Modell Reference Plus. Netzkabel: Swiss Cable und Ringmat Pure Power, in Verbindung mit der Audioplan Powerstar und der Ringmat Pure Power Netzzuleitung.

Der „Star“ der Veranstaltung, die Tannoy Arden, stand mit dem 15 Zoll-Dual-Concentric-Chassis natürlich im Mittelpunkt und zog die Blicke auf sich. Optisch fast originalgetreu wie im Jahr 1975, aber natürlich mit dem Klangbild von heute. Schließlich hat sich in der Fertigungs- und Messtechnik in über 40 Jahren viel geändert. Der gesamten Legacy-Serie von Tannoy und damit auch für die Arden kann ein außerordentlich gutes Preis-/Leistungsverhältnis attestiert werden.

Die aktuellen Dual-Concentric-Treiber arbeiten mit Papiermembranen im Bass und mit Aluminium/Magnesium-Kalotten im Hochton, die zeitrichtig in der Mitte der Bassmembran platziert sind. Alle Einzelteile bis hin zur Sicke oder dem Anschlussfeld wurden klanglich optimiert. Wie 1975 sorgt die „Tulip“ Hochton-Schallführung für eine einzigartige Kohärenz und Räumlichkeit.

Mittels eines Kontroll-Panels auf der Schallwand lässt sich der Hochtonbereich in gewissen Grenzen an die Raumakustik (oder auch den persönlichen Geschmack) anpassen.

Die Bauteile für die Frequenzweiche werden aus klanglichen Gründen einem "Deep Cryogenic Treatment" unterzogen, bei dem Weichenteile schrittweise und sehr langsam auf auf ca. -190 Grad abgekühlt und dann wieder aufgetaut werden. Ziel dieses „Temperns“ ist die Reduktion von Spannungen und die Erhöhung der Kristallinität. Klingt esoterisch, wird aber z.B. im Automobilrennsport seit Jahren schon angewandt.

Als erstes wanderte eine Aufnahme des legendären Westcoast-Labels Contemporary des Jazz-Impressarios Lester Koenig in die Schublade des T+A MP 2500 R: Die Gruppe um den Schlagzeuger Shelly Manne stand schön plastisch im Raum und die Instrumente überzeugten durch ihre Klangfarben. Präsent mit einem gewissen „Biss“ das Tenorsaxofon von Richie Kamuca hier im Duo mit dem Trompeter Joe Gordon. Deutlich nach hinten versetzt die Rhythmusgruppe um Pianist Victor Feldman, Monty Budwig am Bass und natürlich Shelly Manne am Schlagzeug.

Dann Orchestermusik von der dynamischen Sorte. Die wuchtige Einspielung von Paavo Järvi mit dem Cincinnati Symphony Orchestra von Stravinsky’s „the rite of spring“ (Telarc!). Hier kann die Arden ihre Stärken ausspielen um gleich anschließend Frauenstimmen, in diesem Fall die Swingle Singers, mit einer A cappella-Overtüre aus Mozarts „Hochzeit des Figaro“ zu überraschen. Plattenproduzent und Audiophiler: Beides trifft in hohem Masse auf Giulio Cesare Ricci von Fone-Records zu. Eine Gruppe um den amerikanischen Tenorsaxofonisten Scott Hamilton spielt „Ballads for Audiophiles“. In bester Tradition, wie einst Ben Webster oder Coleman Hawkins, bläst Hamilton mit viel Nebenluft, was sicher seinen Vorbildern gefallen hätte. Die Aufnahme ist exzellent und als SACD erschienen.

Die populärste Jazzaufnahme - von Dave Brubecks „Take Five“ oder Miles Davis „Kind of Blue mal abgesehen – ist das Köln Concert, das der Pianist Keith Jarrett am 24. Januar 1975 solo einspielte und seither mehr als 3,5 Millionen mal verkaufte. Tower Records Japan hat diese Aufnahme als Lizenzausgabe von ECM Ende letzten Jahres als SACD herausgebracht. Jetzt klingt der Flügel, auf dem Jarrett eigentlich gar nicht spielen wollte, deutlich voller und schwingt hörbar mit, wenn er vom Meister traktiert wird. Eine Sternstunde des Jazz, jetzt in bestmöglicher Qualität hörbar.

Was auch immer im MP 2500 R oder auf dem Linn LP 12 landete, klang nach Spaß und nicht nach HiFi. Paul Kuhn oder die „Virtuosi dell Muse“, das Saxofon-Duo Sonny Stitt und Paul Gonsalves oder Manuel de Falla’s Dreispitz (El sombrero de tres picos): Alles tönte wie aus einem Guss.

Besonders positiv fiel die neueste Ausbaustufe des Linn LP 12 auf: Dank Lingo IV und der weiteren Signalverarbeitung durch „The Groove Anniversray MK 2“ von Tom Evans blühten hier Scheiben von Helge Lien und auch John Surmans neue ECM-LP „Invisible Treads“ richtiggehend auf. Oliver Wittmann präsentierte stolz die Duo-LP „Nightfall“ des Trompeters Till Brönner und des Kontrabassisten Dieter Ilg. Wer Brönner für einen „weichgespülten Bläser“ hielt, der nur „Fahrstuhlmusik“ macht, muss hier seine Vorurteile revidieren. „Nightfall“ ist mit Sicherheit eine der besten und einflussreichsten Aufnahmen dieses Jahres. Und 100 Prozent Jazz.

Fazit: Sich vom ersten Klangeindruck, der etwa eine halbe Minute anhält, nicht verwirren lassen. Die Arden klingt in guter britischer Tradition zunächst etwas „laid back“. Wenn man sich darauf mal eingelassen und eingehört hat, dann macht die ganze Legacy-Serie von Tannoy ungeheuer Spaß.

Wem die Arden mit ihrem 38-cm-Chassis zu groß ist, oder wer in seinem Hörraum kein solches „Monster“ platzieren kann: Es gibt die Cheviot (30-cm-Koaxialchassis) und sogar noch die Eaton (25-cm-Dual-Cone). Oliver Wittmann und Markus Nolden führen nach Terminvereinbarung die ganze Tannoy-Legacy-Serie gerne vor. Und: Machen Sie sich beim Preis auf eine angenehme Überraschung gefasst. Da sind die Leute von Tannoy aus Coatbridge eben echte Schotten (und die beiden „Wittmänner“ Schwaben!).

Weitere Informationen zur Legacy-Serie:

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